Fachdiskurs: Stellenwert der medikamentösen Erhaltungstherapie
Impulsreferate
Moderation: Ralph Erdenberger
Schizophrenie
Prof. Dr. Wolfgang Gaebel, Düsseldorf
Schizophrene Erkrankungen gehören auf Grund ihres im Durschnitt eher frühen Erkrankungsbeginns und dem meist rezidivierenden Verlauf mit oftmals einhergehenden deutlichen Funktionsbeeinträchtigungen trotz vorhandenem breiten Spektrums an Behandlungsoptionen sowie intensiven Forschungsbemühungen weiterhin zu den schwerwiegendsten psychischen Erkrankungen. Basierend auf dem Vulnerabilitäts-Stress-Coping-sowie dem biopsychosozialen Krankheits- und Behandlungs-Modell ist eine multimodale und multiprofessionelle Behandlung indiziert, die biologische, psychologisch-psychotherapeutische und soziale Interventionen in einem phasisch-adaptierten Behandlungsplan mit spezifischen Therapiezielen vorsieht.
Neben der möglichst frühzeitigen Erkennung und Behandlung in der Prodromal- und frühen Erkrankungsphase werden unter akuten Krankheitsbedingungen eine Reduktion und möglichst vollständige Remission von Positiv- und Negativ-Symptomatik angezielt, gefolgt von Rückfallprophylaxe und Wiedererlangung der sozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit unter postakuten Bedingungen in der Langzeitbehandlung. Die medikamentöse Therapie mit Antipsychotika ist dabei weiterhin ein zentraler Therapiebaustein in Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen. Auf Grund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit hinsichtlich Symptomreduktion und Rezidivprohylaxe wird ihr Einsatz in der Akut- und Langzeit-Erhaltungstherapie in nationalen und internationalen Behandlungsleitlinien mit höchstem Evidenz- und Empfehlungsgrad bewertet, so auch in der Aktualisierung der DGPPN-S3-Behandlungsleitlinie, die sich z.Zt. in der Endbearbeitung befindet (Konsultationsfassung unter https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/038-009.html ). Dennoch gibt es weiterhin offene und zum Teil kontrovers diskutierte Fragen, was mögliche Nebenwirkungen, Dosierung, Applikationsform und v.a. indizierte Verabreichungsdauer betrifft.
Im Vortrag werden diese Fragen mit Bezugnahme auf die entsprechende Befundlage diskutiert, um individuelle Therapieentscheidungen zusammen mit Patienten unter Berücksichtigung ihrer Lebenssituation auf der Basis aktueller Evidenz zu ermöglichen.
Affektive Störungen
Dr. Dr. Christian Stoppel, Berlin
Mit einer Lebenszeitprävalenz von 15-20% liegt das Erkrankungsrisiko depressiver Störungen an zweiter Stelle aller psychischen Erkrankungen. Neben ihrer beträchtlichen absoluten Häufigkeit sind depressive Erkrankungen aber vor allem aufgrund ihrer massiven sozioökonomischen Folgen von erheblicher, gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Denn obwohl einzelne depressive Episoden infolge der heutigen multimodalen Therapiemöglichkeiten gut zu behandeln sind, kommt es bei über 50% der Patienten zu wiederkehrenden (rezidivierenden) Episoden und einem teils sogar chronischen Verlauf. Hierbei steigt die Wahrscheinlichkeit an einer neuerlichen Episode zu erkranken mit der Anzahl vorheriger Krankheitsepisoden immer weiter an. Daraus resultieren wegen immer weiter steigender stationärer Behandlungszahlen, Arbeitsunfähigkeitsfälle/-tage sowie Frühberentungen enorme direkte sowie indirekte sozioökonomische Folgekosten.
Vor diesem Hintergrund stellt neben der Akuttherapie insbesondere die Erhaltungstherapie im Anschluss an die Akutbehandlung sowie die Rückfallprophylaxe, d.h. die Verhinderung des Auftretens neuer Krankheitsepisoden, ein primäres Ziel in der Behandlung rezidivierender depressiver Störungen dar. Im Rahmen aktueller Therapiekonzepte nimmt dabei die medikamentöse Behandlung – sowohl im Sinne einer Erhaltungstherapie nach Remission akuter Episoden sowie einer Rezidivprophylaxe mit dem Ziel der Verhinderung/Reduktion erneuter Krankheitsepisoden – neben der psychotherapeutischen Behandlung das zentrale Therapieelement dar. In der Ende 2015 erschienenen nationalen Versorgungsleitlinie „Unipolare Depression“ ( https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/nvl-005l_S3_Unipolare_Depression_2017-05.pdf ) sowie einer Vielzahl internationaler Behandlungsleitlinien wir die Erhaltungstherapie sowie Rezidivprophylaxe mittels Antidepressiva mit dem höchsten (bzw. zweithöchsten) Evidenz- und Empfehlungsgrad bewertet.
Demgegenüber führten widersprüchliche Befunde der vergangenen Jahre zu einer hitzigen, teils mit großem Medienecho ausgetragenen, Debatte über die Wirksamkeit antidepressiver Medikamente.
Im Vortrag sollen diese Befunde einander gegenübergestellt und kritisch diskutiert sowie daraus mögliche Empfehlungen für die Therapie aber auch für unabdingbare, künftige Forschung zur medikamentösen Behandlung depressiver Störungen abgeleitet werden.